Notizblöcke, Februar bis März 2023
… da man ultraleichtes Equipment herleitet, die rückgekehrte Digitalkamera begrüßt u. indem man sich selbst wie die Dinge instandzuhalten lernt, eine entzündungslindernde Einstellung freilegt
Amerika mag deshalb derart piktorialistisch sein, da es noch jung ist, seine gebaute Umgebung also verbildlicht, was wir bis heute denken. Wenn man in Amerika ankommt und alles einem vertraut vorkommt, dann liegt das also nicht bloß an den Bildern und Filmen, die man über Amerika gesehen hat. Amerika kennt man aus sich selbst: Die auf das Natürliche gebaute Landschaft Amerikas ist irgendwo auch meine Gedankenlandschaft …
François Jullien meint, dass aus meinem Gerangel mit dem Negativen, dessen Gesten ich erwidere, sich mein ganz eigener und freier Lebensweg erschließt. (Romantisierung, die ich als zwei tollende Füchse vor Augen habe.) Aber gerade doch, indem ich nicht davon ablassen kann, gegenüber einer Hürde meinen Handlungsspielraum zu beweisen, nimmt diese Hürde mich ein; je mehr Elan ich ihr entgegenbringe, zapple und wild um mich schlage, desto fester hat sie, wenn ich darauf reagiere, dass sie mir meinen Weg verbaut, mich im Griff.
Ultraleichtes, packbares, multifunktionelles Equipment und überhaupt alles zum Mitnehmen sind Bindungsängste, greifbar gemacht. Daraus also, dass mehr Dinge nicht weniger Freiheit bedeuten dürfen, ergab sich unsere ultraleichte, packbare, oder auch monatlich zu kündigende Mehrzweck- und Mitnehmökonomie.
Je stärker ein Kopf, desto unerbittlicher die Herrschaft der Dinge über ihn, die er nämlich animiert. Oder anders: Je stärker ein Kopf, desto schwächer ist er in der Welt.
Während das Mobiltelefon (dessen unendlicher Digitalzoom) vereinzelt Kuriositäten aus der Welt herauspickt, die ins Auge stechen, bewirbt (erzwingt) die Digitalkamera, wie sie jetzt zurück ist (mit weitwinkeliger Festbrennweite), ein Bewusstsein in der Welt, das räumlich ist.
Rohheit nicht mit Stilisierung verwechseln. (Als ich neulich ehrlich und unverfälscht mich öffnete, klang es blumig und fremd wie ein Gedicht. Roh wie gar sind Worte unverständlich; nur medium bleibt da wenig zum Raten.)
Klar, dass was die Fotografie in Betrachtenden bewirkt, während sie entsteht auch mit mir anstellt. Ausgerechnet, indem es nah heranholt, entfernt ein Teleobjektiv mich von der Welt, zu der es meine Distanz bezeugt und die es, wenn es sie flächig zeichnet, verfremdet. Das Weitwinkel hingegen, das die Szenerie lückenlos vermisst und realitätsnah abbildet, resozialisiert mich mit jener unmittelbaren Umgebung, von der ich gerne vergesse, dass sie mich säumt.
Mir zueigene Tendenz, zu verorten, worauf ich warten kann, um so Verantwortung abzuwälzen: Klar war ich Verletzungen ein guter Boden …
Meine Welt hat einen Hauptdarsteller und tausend Statisten: habe irgendwas vergessen.
Seinen Horizont erweitern heißt zu allererst einmal, sich auszublenden. Was schon immer nur dann zu ertragen gewesen ist, wenn es mir einigermaßen gut ging. Gerade dann also, wenn ich darauf angewiesen wäre, dass ein Film oder etwas Gesellschaft mich aufmuntert und aus mir herausholt, da ich mich nicht fühle, bringe ich es nicht zustande, mich darauf einzulassen. Nicht möchte mich vom interessanten oder unterhaltsamen Inhalt abgelenkt sehen, sondern aufgehoben fühlen und verstanden.
Auszusehen ist anzusuchen.
Die unaufgeräumte Wohnung war das ungewartete Fahrrad war mein getriebener Körper. Jetzt heilen wir gemeinsam.
Zu begründen, weshalb Fürsorge und Wartung, einst Selbstverständlichkeiten bis Automatismen, uns solche Herausforderungen geworden sind, bedarf gar nicht so sehr einer fortgeschrittenen Kritik der Psyche unter der Konsumkultur, als vielmehr einem ganz elementaren, kindlich-wertbefreiten Fingerzeig auf jene kritischen (sich also der Administration entziehenden) Massen an Austauschbarem, die unseren Durchschnittshaushalt übervölkern.
Klar, dass gerade denen, die auf Instandhaltung am angewiesensten sind, zu Übung, Reinigung, Reparatur die Geduld fehlt, wenn sie verletzt etc. auf heißen Kohlen sitzen.
Eine entzündungslindernde Einstellung muss her, da es nicht die Dosis ist, die das Gift macht.
Man hat der Welt schon noch irgendetwas mitzuteilen – bloß ohne die jugendlichen Verblendungen. Es gilt nicht länger, sich herauszuarbeiten oder jene Überlegenheit, die naturgegeben sei, mit Indizien zu möblieren. Vielleicht „macht“ man, zu teilen, wahrscheinlich aber einfach, zu überleben: die Frage nach dem Sinn gestillt, ein Platz inmitten der anderen gesichert …
Möchte ich schreiben, wie ich denke, haben meine Paragraphen eine Form anzunehmen, die dem Atmen ähnelt. Im letzten Zug erst Ausgeatmetes wird wieder inhaliert, vermengt mit etwas Neuem. Linear zu schreiben wäre inauthentisch – und mir sowieso unmöglich.
Meine Hexenküche: fünfzig Pull-ups, hundert Liegestütz, etc.
Natürlich bin ich gerade jetzt für Hellblau schwach, da ich mich sorge, die anderen – meine Freunde, aber genauso Öffentlichkeit – mit meinen Beschwerden zu belasten. Durch die leichte Farbe sickert weder Schwere, noch drängt sie sich ermunternd auf.
Keine Bewegung mehr – nicht ohne Liebe, nicht ohne Ziel.
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