Notizblöcke, April bis Juni 2023
... da wĂ€hrend es so aussehen mochte, als genoss ein Braungebrannter den FrĂŒhling, sich ein Mietvertrag dem ersehnten Ende zuneigte und ich unter den mitzunehmenden Sachen hoffte, auch mich zu finden
Die Personen lĂ€cheln mir zu; ich starre erst noch verstĂ€ndnislos, weiche ihrem Blick dann aus. WĂ€hrend es so aussehen mag, als genieĂe hier ein frĂŒhzeitig Braungebrannter das Herannahen des Sommers, kĂ€mpfe ich KĂ€mpfe, schlucke Hass, und ĂŒberhaupt bin ich doch gar nicht wirklich hier âŠ
Stumpfsinnig, zu sagen, man stumpfe ab: Denn was wirklich passiert ist, wenn die Geschehnisse einen nicht lĂ€nger berĂŒhren, ist dass man die Welt abgestumpft hat. Einmal glattgefeilt piekst sie dann nicht lĂ€nger.
Dass ich bezweifelte, ob fĂŒr nur eine knappe Woche das Rennrad auf Reisen mitzunehmen es wirklich wert sei, deutet selbst wenn ich mich dafĂŒr entschied auf sich endlich lösende Knoten.
Die Dinge ĂŒberdenken und mich verlaufen werde ich dann, wenn ich mich zu ĂŒberdenken versuche. Ich also mit dem, das ich mitteile, auch mich selbst ĂŒberraschen oder belehren will, da ich ungeachtet lasse, dass was mir, der ich genötigt war, ihm wie dem Gras beim Wachsen zuzusehen, ereignislos scheint, Anderen automatisch ein VorstoĂ und neuwertig ist.
Im Anschluss an Alis Behandlung springt die BadezimmertĂŒr von selber auf, als meine Hand sie gerade greifen will.
SchĂ€me ich mich womöglich fĂŒr die Bedeutung, von der OberflĂ€chen fĂŒr mich bleiben? Habe ich mich zwar lĂ€ngst der NaivitĂ€t entledigt, in ihnen KostĂŒmierungen von Wahrheiten zu erkennen, die es zu durchschauen gelte, wird sich daran, dass sie uns einfach am NĂ€chsten liegen, nie etwas Ă€ndern.
Das Leben, das mich prinzipiell auch beleben könnte, nagt an mir.
Das einzige, das jetzt passiert und gut ist, ist dass ich diesem Leben hier, das mich zerrupft, fast tĂ€glich ein StĂŒck entnehmen darf, da es auf der Gebrauchtwarenplattform jemand kauft.
Unter den mitzunehmenden Sachen hoffe ich, auch mich zu finden. Denn in den Monaten, in denen ich hier versandet bin, habe ich mich weniger verloren als einfach vergessen oder begraben, sodass jetzt kaum mehr gefordert ist, als mich einfach zu sammeln.
Meine Knie produzierten Beschwerden jener Sorte (wandernd, geschrotet), von der eine Mutter im RĂŒckblick einmal meinen könnte, dass âseit die Kinder dann da warenâ sie irgendwie Geschichte waren.
Mein ganzer Aufwand gilt der misslingenden Reproduktion eines (âdesâ) einfachen Lebens âŠ
Weit davon entfernt, mich mir nĂ€her zu bringen, macht âin mich zu gehenâ die Dinge bloĂ insofern klarer, als dass es sie in verstĂ€ndliche Form zwĂ€ngt, wenn ĂŒberhaupt also Anderen nĂ€her bringt. Indem ich jemandem also mein GefĂŒhltes nĂ€herbringe (wie einen Teller ans gegenĂŒberliegende Ende des Tisches reiche), entferne ich es womöglich von mir.
Mehr noch als die Dosis macht die Einstellung ein Gift. SchlieĂlich waren es eigentlich gesunde BewegungsablĂ€ufe, mittels derer ich tief in meine Glieder einen Frust meiĂelte.
Allein in meinem Frust gegenĂŒber allem (diese schlecht und ungesund gestaltete, hier ekelhafte, da sterile Welt) erkenne ich noch etwas Gutes (eine Kraft nĂ€mlich).
Ist es nicht schön, wie alle Gesten einen zeichnen â zugleich verbildlichen also wie auch fortschreiben? Wenn ich also um das Laufen trauere, dann mitunter um einen Körper, der mich dahingehend abrichtet, mich widerzuspiegeln.
Weshalb Urkorn und Sauerteig dem Zahn der Zeit so munden, und der BarfuĂ eine schwache Ader in uns trifft: das gilt es heute zu erkunden.
Man meint, der Ort könne egal sein, will man sich doch keiner Welt fĂŒgen, sondern die eigene kreieren. Dabei rĂŒhrte selbst der Urknall aus Begebenheiten.
Kommt Julliens Projekt genau wie davor das der Existenzialistinnen nicht schon in seiner Fragestellung vom Weg ab, auf welche Weise man sich nĂ€mlich vor der Welt nicht verschlieĂt, und geht es nicht vielmehr darum, anstatt ein offenes Ohr fĂŒr ihre Wegweisungen zu entwickeln, einfach meinen eigenen Impulsen und Pflichten nachzukommen â gerade also, sich also vor der Welt zu verschlieĂen, um dann ein eigenes Leben zu leben?
Was ich erst lernen musste, ist dass das Rennradfahren nicht Teil eines unablĂ€sslichen Charakters ist (der genauso im Leben den Blick nur geradeaus hat), sondern diesen insofern nichtig macht, als dass es dessen BeweggrĂŒnde stillt, DrĂ€nge befriedigt, KrĂ€fte entschĂ€rft.
Aufgegriffener Gedanke: Sich den fĂŒnf gröĂten PrioritĂ€ten verschreiben, die zwanzig NĂ€chstbesten hingegen wie nichts meiden, da sie namentlich die Gefahr bergen, ungewollt einzunehmen.
Dass EntentĂŒmpel mir missfallen (Hyde Park, Wiener Startpark, etc.) wurzelt in der perversen Idee einer Natur, die vom Menschen unangetastet bleibt: Denn fĂŒr immer ursprĂŒnglich zu bleiben, anstatt den Wandel hin zum Komfort mitzumachen, ist vom Tierreich genauso wenig zu fordern wie von indigenen Völkern.
Der Körper stellt eine Idee zurĂŒck in den Raum, die er (als Ganzheitliches) lange undenkbar machte: zu laufen.Â
Hier âbinâ ich, das was bevorsteht âkommtâ.
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