Notizblöcke, Juli bis August 2023
... da es ausgerechnet eine alles bietende Umgebung war, die mich auf meinen Pfad zurĂŒckdrĂ€ngte
Was mehrdimensional (heterogen) ist, wirkt durch gewisse FlĂ€chigkeit (HomogenitĂ€t). Ganz gleich nĂ€mlich, wie fern mir etwa in Silver Lake oder New Cross eine Sache liegt, drĂ€ngen sie sich alle mit derselben Dringlichkeit auf. Der zu hohe Kantstein; die Personen in den Fahrzeugen; im CafĂ© gegenĂŒber; das erste Stockwerk eines Hauses, zu dem eine Wendeltreppe fĂŒhrt; der Strommast; ein kahler Baum, der oben auf dem Berg herausragt; die Wolken: ausgerechnet wenn sie alle undifferenzierbar sind (gleichzeitig, gleichwertig: eindimensional), erkenne ich ihre Vielschichtigkeit. Das Vehikel von Tiefe ist die FlĂ€che.
Ausgerechnet als die Tage, so einfach sie auch waren, mich wieder recht zufrieden stimmten, ziehe ich abermals in eine unwirtliche Umgebung, die als solche charakteristisch auf einen Grund pocht, aus dem man Kosten, GerĂ€uschpegel, LuftqualitĂ€t, Elend, Wetter, KriminalitĂ€t und engem oder schimmeligem Zimmer zum Trotz sie dennoch bewohnt; die die hintergrĂŒndig gewordene Sinnfrage zu meinem Ăberdruss also wieder auskramt.
ZurĂŒck an die OberflĂ€che, in der ich daheim bin: nach LA, hin zu Kleidung, etc. ... Wo ich auĂerdem daheim bin? Wo hinter ein paar Kiefern auf sandigem Grund, der ihre warmen, rostbraunen Wurzeln zeigt, ein Sozialbau mit Terrassen und Balkonen steht ... Wo ich daheim bin: was also vor mich soll, da es hinter mir liegt; wo ich hin will, da ich dort war ...
AllmÀhlich muss Schluss damit sein, aufgrund der sich ziehenden Verletzung mich als Benachteiligter zu verstehen, infolgedessen ich mir nÀmlich Verhaltensweisen herauszunehmen begann, hinter denen ich kaum stehe. Mehr noch als dass etwa zwei Sitze einzunehmen asozial ist, entfernen manche Praktiken den, der ich bin, von dem, zu dem ich mich gezwungen sehe, bloà weiter.
Wie die Heimat können auch Gedankenmuster, ganz ohne dass man sie fĂŒr gut befĂ€nde, dennoch heimelig sein.
Wie schon bei Marx die Arbeitenden ihre ArbeitsablĂ€ufe verlieren wir heute, da der Dienstleistungssektor tief in Privatleben einschneidet und sie segmentiert, unseren Bezug zum Leben an sich. Je zuvorkommender ebendieser Dienstleistungssektor mir gegenĂŒbertritt (von der Inflation gar nicht zu sprechen), desto eher lĂŒstet es mich, die Instandhaltung und Fortschreibung meines Körpers wie meiner Umgebung in die eigenen zwei HĂ€nde rĂŒckzufĂŒhren.
Entscheidend bleibt, welche Eigenschaften man jener unmittelbaren Umgebung zuschreibt, gegen die man sich ja unausweichlich stemmt.
Nebst dem Lauten und Unbequemen verlangt genauso das Reizende einer gesĂ€ttigten Umgebung, dass ich mich abkapsle, mich zu bewahren. Denn selbst was prinzipiell verlockt, stöĂt natĂŒrlich ab, sobald es Ăberhand nimmt. Insofern mag die Weltstadt, die wenn ich vor GerĂ€uschpegel, Schmutz, Preisen wie auch prinzipiell willkommenen, hier aber eben ausufernden EindrĂŒcken zurĂŒckschrecke, mich zurĂŒck auf meinen Pfad wirft, jetzt gesĂŒnder kommen als die Bundeshauptstadt Wien â alte Attrappe â, deren Fadheit mich wĂ€hrend ich Anregungen suchte bloĂ hier und da zu zĂŒndeln veranlasste, ziellos zu hampeln und zu zappeln âŠ
Mein Handeln muss Balsam sein ...
Was ich wirklich lernen muss, ist anstatt Energiereserven zu scheuen (aus Furcht nÀmlich, auf ihnen sitzen bleiben zu werden) sie vergöttern lernen. Immerhin ist man gesund!
Deutschland (die Blicke der Menschen hier) schnĂŒrt mir den Atem. Alle starren sie einen nichtssagend an, und jene wiederum, die mich wohlwollend anlĂ€cheln, irren darin, dass ich gesehen werden wolle. Sind es doch sie allein, in deren engem Blick mein vermeintlich lauter Auftritt darum buhlt.
Ob es etwas Ă€ndere, sich einmal nicht zu sagen, dass ab morgen alles anders wĂŒrde, sondern ab heute Nachmittag?
Klar entzieht sich mir alles, wenn ich darin Sinn finden will; wird mir alles zu eng, wenn ich darin aufzugehen versuche.
Tag fĂŒr Tag ein bisschen tiefer in der Welt drinnen, nachdem ich zwei Jahre lang, um den Schmerz im Knie zu ignorieren mich ganz allgemein taub machen musste und verschlieĂen. Tiefer in der Welt drinnen: paradoxerweise ein GefĂŒhl von Höhe.
Was die virale Kurzbotschaft (Archetyp des Tweets) bewirkt hat, ist die Gleichsetzung oder vielmehr das Einswerden von Kritik, Satire, Slogan, Poesie, Meinung usw.
Wenn also jene SensibilitĂ€t, von der man einmal meinte, dass sie einem endemisch war, und mit der man seit Jahren und voller Zuversicht Hefte beschreibt, plötzlich genauso in Internetmemes und besoffen gerissenen SpĂ€Ăen erkennt, klar vergeht einem dann die Lust am Schreiben, und ist da gleichzeitig ein Stolz, sich einer NaivitĂ€t entledigt zu haben und sich jetzt als einer von allen zu fĂŒhlen.
Wer immer sich schneller fortbewegt (oder das geschwindere Fortbewegungsmittel nutzt), grĂŒĂt.
FĂŒr immer: fĂŒr wen?
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